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Portrait

Zur Person Jesper Juul

Jesper Juul (1948-2019) war Familientherapeut, Vater und Großvater. Er war Autor zahlreicher Bücher, ein renommierter internationaler Redner und Gründer von familylab – einer Organisation, die sich dafür einsetzt, dass Eltern neue und gesündere Wege finden und Fachkräfte tiefere Beziehungen zu den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen aufbauen können.

Jesper Juul arbeitete viele Jahre – und in den verschiedensten Bereichen – mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen, in der pädagogischen Entwicklung in Schulen und Kindergärten sowie mit Gruppen von allein erziehenden Müttern und Elterngruppen.

Von 1979 bis 2004 war er Direktor des Kempler-Instituts in Skandinavien, Zentrum für Familien- und Postgraduiertenbildung. Darüber hinaus engagierte sich Jesper Juul während des Krieges im ehemaligen Jugoslawien ehrenamtlich in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien in Flüchtlingslagern, wo er auch Beratung und Fortbildung für lokale Fachkräfte anbot.

Von 2006 bis zu seinem Tod hat Jesper Juul seine Zeit und Energie familylab gewidmet.

Jesper Juul über Werte

Jesper Juul über Werte
Wir sprechen meistens von »Werten«, wenn wir »Wertvorstellungen« meinen. Werte sind etwas Konkretes, das nichts mit Wohlstand und Geld zu tun hat. Wertvorstellungen spielen eine entscheidende Rolle als Kompass, wenn wir in Konflikte geraten und Entscheidungen treffen müssen. Diese Frage gewinnt an Aktualität, weil es heute keinen Wertekonsens in der Gesellschaft mehr gibt. Kindererziehung und Familienleben basieren oft auf zufälligen Kenntnissen, denen ein stabiles Wertefundament fehlt. Das bedeutet, dass sich diese Familien von Konflikt zu Konflikt hangeln. Das macht das Leben ungemein hektisch. Wer keinen Kompass besitzt, um sicheren Kurs halten zu können, der landet womöglich da, wo er nie hinwollte. Ich habe versucht, die vier grundlegenden Werte zu beschreiben, die meiner Erfahrung nach eine konstruktive Wirkung auf das Zusammenleben zwischen Erwachsenen und Kindern haben.

Diese sind Gleichwürdigkeit, Authentizität, Integrität und persönliche Verantwortung.

Ich hoffe, möglichst viele Eltern lassen sich davon inspirieren. Man muss sich diese Werte nicht zwangsläufig zu eigen machen, sollte aber über sie nachdenken, um herauszufinden, welche Wertvorstellungen man selbst von seiner Ursprungsfamilie übernommen hat und wie es diesbezüglich bei seinem Partner aussieht. Wie ergänzen sich diese Werte? Wo geraten sie in Konflikt miteinander? Ganz gleich, welchen Voraussetzungen und Werten man den Vorzug gibt, ist es entscheidend, dass man sich für bestimmte Werte entscheidet.

Verlust gemeinsamer Wertvorstellungen
Dass derzeit ein neokonservativer Wind durch Europa weht, der von Rufen nach mehr Grenzen, Bestrafung und Konsequenzen begleitet wird, mag auch mit der allgemeinen Verunsicherung in Erziehungsfragen zu tun haben, damit, dass heute kaum mehr ein gesellschaftlicher Konsens darüber besteht, was richtig und was falsch ist.

Noch vor einer Generation lebten wir in einer relativ isolierten Gesellschaft mit einem hohen Mass an gemeinsamen Wertvorstellungen. Zwischen der Erziehung in den Familien – in denen fast alle dieselben Grenzen zogen – und der Erziehung in Kitas und Schulen herrschte weitgehend Übereinstimmung. Die Erwachsenen besassen eine grössere Gewissheit als heute, was die “richtige” Erziehung anging. Und wurden sie doch einmal von Zweifeln gepackt, erfuhren sie im Familien – und Freundeskreis breite Unterstützung für ihre Erziehungsmethoden. Die Mehrzahl der Erwachsenen war von der Überzeugung durchdrungen, dass Kinder lernen müssten, sich ein und unterzuordnen – notfalls unter Anwendung von Strafen und Gewalt.

Ich glaube, dass wir uns ein “Man” in der Erziehung heute nicht mehr leisten können, wenn wir gesunde zwischenmenschliche Beziehungen anstreben.

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